Glicht Art
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Title
Glitch Art
Description
Als Glitch bezeichnet man einen kurzweiligen Fehler in einem System. Im Gegensatz zum sogenannten bug ist ein solcher Glitch eher ein geringfügiger Fehler von kurzer Dauer. Übersetzen kann man den englischen Begriff mit Panne oder Störung, beispielsweise in Form eines Grafikfehlers. Der englische Ausdruck stammt ursprünglich vom jiddischen glitshen und dem deutschen Wort glitschig. Die Bedeutung des Abrutschen ist dabei eine Analogie für Glitch als Bezeichnung für kleinere, unbeabsichtigte Fehler in technischen Bereichen.
- Glitches rufen also einzelne Störer hervor, die eigentlich nicht Teil eines Videos, Bildes, einer Website oder eines Textes sein sollen. Mit diesem Störer warnt das System den Computer. Während der Grund des Glitches oft nicht genau nachvollziehbar ist, kann dieser aber schwerwiegende Fehler in Systemen oder Daten hervorrufen, diese sogar beschädigen oder ganz zerstören. Glitches treten in allen möglichen Formen und Varianten auf. Am häufigsten jedoch findet man sie wohl in Bild und Bewegtbild. Aber auch beim fehlerhaften Laden einer Website kann zum Beispiel ein Glitch entstehen. So wie der Glitch zunächst oft nur als ein unangenehmer Fehler betrachtet wird, gibt es eine ganze Szene von Künstler:innen, die diese Störer als bewusste Stilmittel in ihrer Kunst einsetzen. Die Kunst dieser Glitch-Künstler:innen umfasst dabei alle möglichen Formen und Medien, von digitalen Werken bis hin zu analogen Darstellungen. An diesem Punkt spaltet sich auch die Definition. Im Gegensatz zur Definition des Glitches an sich, der ein unerwarteter Moment in einem System ist, dass dieses auf einen Fehler aufmerksam macht, beginnt Glitch Art erst genau an diesem Punkt. Wenn Künstler:innen sich dazu entscheiden, aktiv in diesen Prozess einzugreifen, indem sie entweder provozieren oder rekontextualisieren, spricht man von Glitch Art. Das Stichwort dieser Definition ist also das absichtliche Handeln. Aber warum sollte man diese Klitsches als Kunst oder Stilmittel publizieren?
- Um diese Frage zu beantworten, muss man vielleicht erst einmal verstehen wie man überhaupt gezielt Glitches erzeugen kann. Die Devise dabei scheint, ein herkömmliches Medium zu nehmen und mit diesem etwas Nicht-Herkömmliches zu tun. Sprich, zum Beispiel eine Datei mit einem Programm zu öffnen, für das sie eigentlich nicht gedacht ist. Verändert man so Dateien mit verschiedenen Applikationen, spricht man vom sogenannten data bending, zu deutsch also so viel wie Datenbiegung. Dabei ist es wichtig, die verschiedenen Dateiformate zu beachten, in die man Dateien also übersetzen kann, denn Programme reagieren je nachdem immer verschieden. Glitcht man beispielsweise ein .jpeg auf die selbe Art und Weise wie eine .raw-Datei, können völlig unterschiedliche Effekte hervorgerufen werden.1 Es gibt also unzählige Möglichkeiten, wie potenzielle Ergebnisse aussehen können.
- Hinter dem data bending stecken verschiedene Motivationen. Während der Glitch bei den einen Künstler:innen ästhetisiert und zu einem Stilmittel gemacht wird, sind andere an dessen technischen, politischen oder psychodelischen Ursprüngen interessiert. Manche sehen Glitch Art auch als einen Versuch, Fehlerhaftigkeit, Erinnerung, Nostalgie oder Utopie zu untersuchen. Glitch Art ist für manche ein Medium selbst, für andere aber auch eine Art, sich bestimmten Medien zu nähern. So reichen Arbeiten von GIFs über Videos oder Performances, über Softwares, Installationen, Gemälde und Printprodukte oder sogar Textilien. Der Punkt, über den sich Glitch-Künstler:innen jedoch einig sind, ist, dass unheimlich viel Potential in der Untersuchung des Moments liegt, den wir Glitch nennen. Oft wird Glitch Art auch als eine Art Ethik bezeichnet. Keine Ethik im traditionellen Sinne, vielmehr geht es hierbei um die Sichtweise auf die Dinge und eine Reihe von Prinzipien. Wie das bekannte Netzkunstduo Jodi schon sagte, ist nichts falsch daran, wenn etwas falsch ist. Es geht letztendlich also darum, bewusst die Dinge auch einmal falsch zu machen. Denn nur so entdeckt man neue Wege und Perspektiven im digitalen Raum.
1 Rosa Menkman, The Vernacular of File Formats, 2010