Publishing as artistic practice

Aus hybridpublishing
Version vom 10. April 2023, 08:31 Uhr von Alex (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Title

Publishing as artistic practice

Description

„Die Entscheidung, unabhängig zu veröffentlichen, ist in vielerlei Hinsicht ein politischer Akt“, so Veronica Hindley1 in ihrem Gespräch mit Michalis Pichler, Mitbegründerin von Miss Read2 und Herausgeberin von Publishing Manifestos3. Pichler zitiert Adrian Pipers Konzept der ästhetischen Akkulturation: Einzelne Künstler werden „oft von institutionellen Systemen unterworfen werden, die die Ressourcen kontrollieren und damit einen Verzicht auf kreative Autonomie erfordern.“4 Dieses Konzept könnte sich natürlich auf traditionellere Formen des Veröffentlichungs-Gatekeepings beziehen, wie zum Beispiel große Verlagshäuser, könnte aber beispielsweise auch auf große Social-Media-Plattformen ausgeweitet werden. Das Ergebnis ist in beiden Fällen dasselbe: Die kreative Freiheit wird durch die von der Plattform diktierten Bedingungen eingeschränkt, denen sich die Nutzer:innen unterwerfen müssen, um die Reichweite der Plattform nutzen zu können. Piper spricht auch von einer „Arbeitsteilung“, die in traditionellen Verlagsprozessen stattfindet: Schöpfer:innen, Designer:innen, Produzent:innen, Drucker:innen, Verleger:innen und Vertriebe sind alle Teil des Prozesses von der Idee bis zum Endprodukt.

„Im radikalen (Anm. des Autors: unabhängigen) Verlagswesen“, so Pichler, „insbesondere im Self-Publishing und in der Zine-Kultur, ist die von Adrian Piper beschriebene Arbeitsteilung oft umgekehrt, wobei Künstler und Autoren alle möglichen unterschiedlichen und nicht entfremdeten Rollen einnehmen.“
Betrachtet man das Konzept des hybriden Publizierens, das heißt das Erstellen von Publikationen, die in irgendeiner Form sowohl on- als auch offline existieren, lässt sich argumentieren, dass die Vorteile sogar noch einen Schritt weiter gehen: Während viele Menschen weltweit vielleicht keinen Zugang zu einer Druckerei haben oder nicht über die finanziellen Mittel verfügen, um eine Druckerei zu nutzen, haben doch viele zum jetzigen Zeitpunkt in irgendeiner Form Zugang zum Internet. Das erleichtert den Publikationsprozess zusätzlich. Auch das wird bereits sichtbar: Auf die Frage, wo heute das „most vital independent publishing“ stattfinde, nennt Pichler die panafrikanische Plattform für Schreiben, Kunst und Politik namens Chimurenga, Crux Desperationis, die ihren Sitz in Montevideo hat und als International Journal of Conceptual Writing online veröffentlicht wird, Girls Like Us, ein unabhängiges Magazin mit Sitz in Amsterdam, das den Blick auf eine international expandierende Gemeinschaft von Frauen aller Geschlechter in Kunst, Kultur und Aktivismus lenkt. Und Gato Negro mit Sitz in Mexiko-Stadt, die sich nach eigenen Worten „für die Freiheit des Denkens“ einsetzen, indem sie „Titel drucken, die den so oft verschlossenen Blick auf die zeitgenössische Gesellschaft herausfordern.“ Diese Verlage haben eines gemeinsam: Viele ihrer Inhalte sind sowohl online als auch offline zugänglich, einige als pdf zum Herunterladen, einige auf Websites, einige als physische Exemplare. Es wird spannend sein zu sehen, wie sich dieser Trend in Zukunft fortsetzt. Wie Pichler es ausdrückt: „Wir haben einen privilegierten historischen Moment erreicht, in dem das Betreiben eines Verlags - oder einer Buchmesse - als Kunstwerk gewertet werden kann. Gleichzeitig ist es Sozialarbeit, wie der post-konzeptuelle Künstler Seth Price es nennt: eine Produktionsweise, die nicht der Herstellung materieller Güter, sondern der Herstellung sozialer Kontexte entspricht.“


1 Hindley, Victoria. Publishing as Artistic Practice: In Conversation with Michalis Pichler. The MIT Press Reader, 18 Sept 2019.

2 Miss Read, Berlin Art Book Festival

3 Pichler, Michalis. Publishing Manifestos: An International Anthology from Artists and Writers. Miss Read, 2022.

4 Piper, Adrian M. Critical Hegemony and Aesthetic Acculturation. Noûs, vol. 19, no. 1, 1985, p. 29.